Das Strafverfahren: Was Sie über dieses wissen sollten
Rechtsbehelfe im Strafrecht - wie man sich gegen Entscheidungen eines Strafgerichts wehren kann
Kosten der Strafverteidigung
Einstellung von Strafverfahren gegen Geldauflage
Ladung zum Strafantritt - Was nun?
Das Führungszeugnis - Wann ist man vorbestraft?
In der täglichen Praxis als Strafverteidiger erlebt man es immer wieder, dass die um Rat suchenden Mandanten, gegen die erstmals ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist, oftmals nicht wissen, was auf sie zukommt und wie im Einzelnen das Verfahren abläuft. Diese Personen bekommen von der Polizei Vernehmungsbögen oder Vorladungen zu Beschuldigtenvernehmungen, erhalten Anklageschriften von der Staatsanwaltschaft oder Strafbefehle vom Gericht oder werden von einem Gericht zu einer Hauptverhandlung geladen. Hat man mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten noch keinerlei Erfahrungen gemacht und wird man einer Straftat beschuldigt, ist die Verwirrung und Angst oft groß. Es besteht Ungewissheit darüber, mit wem man es in den einzelnen Verfahrensabschnitten zu tun hat, was mit einem denn eigentlich „geschieht" und was die einzelnen Institutionen für Aufgaben und Rechte haben.
Im Folgenden wird Ihnen daher ein kurzer Überblick gegeben über die Aufgaben, die Bedeutung und den Ablauf eines Strafverfahrens.
2. Aufgaben und Bedeutung: Was ist ein Strafverfahren und wozu dient es?
„Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Durch die Strafvorschriften sollen die Grundwerte bzw. wichtigen Rechtsgüter der staatlichen Gemeinschaft geschützt und der Rechtsfrieden bewahrt werden.
Das Strafverfahren dient nun der Durchsetzung dieser Ziele. Seine Aufgabe ist es, in einem rechtlich geordneten Verfahren festzustellen, ob sich eine Person eines Verstoßes gegen Strafvorschriften schuldig gemacht hat, ein entsprechendes Urteil zu ermöglichen und dieses gegebenenfalls durchzusetzen.
Gesetzliche Grundlagen des Strafverfahrensrechts sind in erster Linie die Strafprozessordnung (StPO) und das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Weitere Verfahrensregelungen sind u.a. enthalten im Jugendgerichtsgesetz (JGG), im Grundgesetz (GG) und in der Menschenrechtskonvention (MRK).
Das Strafverfahren gliedert sich in drei Abschnitte mit jeweils ganz unterschiedlichen Aufgaben. Man unterscheidet zwischen Ermittlungsverfahren, gerichtlichem Verfahren und Vollstreckungsverfahren.
Das Ermittlungsverfahren (auch Vorverfahren genannt) dient der Ermittlung, ob der Beschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist, d.h. ob also nach vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung besteht, und ob gegen ihn eine öffentliche Klage (Anklage) erhoben werden soll. Das Ermittlungsverfahren steht unter der Herrschaft der Staatsanwaltschaft. Das Vorverfahren liegt in ihrer Hand.
Das Verfahren kommt in Gang, sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erlangt (§ 160 StPO). Ist dies der Fall erforscht die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt. Hierbei hat sie nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln.
Bei ihren Ermittlungen wird die Staatsanwaltschaft durch andere staatliche Organe, vor allem von der Polizei unterstützt. Diese führt auf Anordnung der Staatsanwaltschaft verschiedenste Ermittlungsmaßnahmen, wie z.B. Vernehmungen und Durchsuchungen durch. In der Praxis wird meist die erste Ermittlungstätigkeit durch die Polizei vorgenommen, weil z.B. Strafanzeigen direkt bei ihr gestellt werden oder weil die Polizei auf anderem Wege noch vor der Staatsanwaltschaft von Straftaten Kenntnis erlangt. Die Polizei führt dann zunächst selbständig die Ermittlungen durch und legt eine entsprechende Akte an. Sobald der Vorgang „ausermittelt" ist, legt die Polizei die Akte der Staatsanwaltschaft vor. Diese legt nunmehr eine staatsanwaltliche Akte mit entsprechendem Aktenzeichen an. Soweit die Staatsanwaltschaft noch Ermittlungen für erforderlich hält, führt sie diese entweder selbst durch oder beauftragt die Polizei mit der Durchführung.
Ungeachtet der organisatorischen Selbständigkeit der Polizei bilden ihre Ermittlungen und die der Staatsanwaltschaft aber stets eine Einheit.
Gewisse Zwangsmaßnahmen (z.B. die Durchsuchung, Beschlagnahme oder die Anordnung der Untersuchungshaft) sind nur unter Mitwirkung des Gerichts zulässig. Die Staatsanwaltschaft stellt in diesen Fällen entsprechende Anträge beim zuständigen Ermittlungsrichter, soweit nicht eine besondere Dringlichkeit vorliegt und das Gesetz ausnahmsweise eine Anordnung durch die Staatsanwaltschaft oder auch der Polizei zulässt.
Am Ende des Ermittlungsverfahrens steht die abschließende Verfügung der Staatsanwaltschaft (also niemals der Polizei). Besteht hinreichender Verdacht einer Straftat, erhebt die Staatsanwaltschaft öffentliche Klage. Dies geschieht grundsätzlich durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. Besteht kein hinreichender Tatverdacht, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Zudem hat die Staatsanwaltschaft in bestimmten Fällen die Möglichkeit, das Verfahren aus prozessökonomischen Gründen nicht weiter zu verfolgen (z.B. § 154 StPO) oder (insbesondere bei Ersttätern) bis in Bereiche der mittleren Kriminalität mit Zustimmung des zuständigen Gerichts von einer Verfolgung abzusehen (z.B. §§ 153 und 153a StPO).
Beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens beginnt mit diesem der Schwerpunkt des Strafverfahrens. Kern des Hauptverfahrens wiederum ist die Hauptverhandlung. In dieser wird über Schuld oder Unschuld des Angeklagten und über die Rechtsfolgen bei einem Schuldspruch entschieden. Das Gericht bereitet die Hauptverhandlung vor, indem es zunächst einen Termin anberaumt, zu dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. Zudem werden der Angeklagte und die weiteren Beteiligten (Verteidiger, Zeugen usw.) zur Hauptverhandlung geladen. Der Eröffnungsbeschluss wird dem Angeklagten spätestens mit der Ladung zugestellt. Der Angeklagte kann die Ladung von Zeugen oder Sachverständigen oder die Herbeischaffung anderer Beweismittel beim Gericht beantragen und u.U. selbst Zeugen oder Sachverständige laden lassen (§§ 219, 220 StPO).b) Das gerichtliche Verfahren
Das gerichtliche Verfahren ist zu unterteilen in das Zwischenverfahren und das Hauptverfahren.
Hat sich die Staatsanwaltschaft entschlossen, öffentliche Klage zu erheben, reicht sie bei dem zuständigen Gericht eine Anklageschrift ein. Welches Gericht im Einzelnen sachlich zuständig ist, richtet sich nach der Art und Schwere des Tatvorwurfs. Gesetzliche Grundlage für die Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts ist das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Je nach Schwere des Tatvorwurfs entscheidet das Amtsgericht (Strafrichter oder Schöffengericht), das Landgericht (große Strafkammer, bei besonders schweren Tatvorwürfen, wie z.B. Mord, eine Strafkammer als Schwurgericht) oder bei Staatsschutzsachen (z.B. bei Hochverrat, Völkermord oder terroristischen Gewalttaten) das Oberlandesgericht.
Mit der Einreichung der Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht beginnt das gerichtliche Zwischenverfahren (auch Eröffnungsverfahren genannt). In ihm prüft nunmehr das Gericht, ob der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Das Gericht teilt dem Angeschuldigten zunächst die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft mit. Der Angeschuldigte kann nun innerhalb einer ihm vom Gericht gesetzten Frist einzelne Beweiserhebungen beantragen oder Einwendungen gegen die Anklage vorbringen, mit denen sich das Gericht dann zu befassen hat. Auch das Gericht kann schon im Zwischenverfahren einzelne Beweise erheben, um den Sachverhalt weiter aufzuklären.
Kommt das Gericht am Ende des Zwischenverfahrens zu dem Ergebnis, dass der Angeschuldigte der Tat nicht hinreichend verdächtig ist, lehnt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Andernfalls beschließt es die Eröffnung des Hauptverfahrens. In diesem Beschluss wird dann die Anklage der Staatsanwaltschaft zur Hauptverhandlung zugelassen. Zudem bestimmt das Gericht einen Hauptverhandlungstermin.
Beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens beginnt mit diesem der Schwerpunkt des Strafverfahrens. Kern des Hauptverfahrens wiederum ist die Hauptverhandlung. In dieser wird über Schuld oder Unschuld des Angeklagten und über die Rechtsfolgen bei einem Schuldspruch entschieden. Das Gericht bereitet die Hauptverhandlung vor, indem es zunächst einen Termin anberaumt, zu dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. Zudem werden der Angeklagte und die weiteren Beteiligten (Verteidiger, Zeugen usw.) zur Hauptverhandlung geladen. Der Eröffnungsbeschluss wird dem Angeklagten spätestens mit der Ladung zugestellt. Der Angeklagte kann die Ladung von Zeugen oder Sachverständigen oder die Herbeischaffung anderer Beweismittel beim Gericht beantragen und u.U. selbst Zeugen oder Sachverständige laden lassen (§§ 219, 220 StPO).
Die Hauptverhandlung (vgl. § 243 StPO) selbst beginnt mit dem Aufruf der Sache durch das Gericht. In dem Gerichtssaal sitzen am Richtertisch „vor Kopf" der oder die Richter und evtl. zusätzlich die Schöffen und ein Protokollführer. An einem der Tische vor dem Richtertisch nimmt der Angeklagte und sein Verteidiger Platz. Ihnen gegenüber sitzt der Staatsanwalt.
Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend sind und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständige erschienen sind. Nachdem die Zeugen daraufhin den Sitzungssaal zunächst verlassen, befragt das Gericht den Angeklagten zunächst über seine persönlichen Verhältnisse. Daraufhin verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz aus der Anklagschrift. Danach wird der Angeklagte über sein Schweigerecht informiert. Entschließt sich der Angeklagte, Angaben zu machen, vernimmt ihn das Gericht zur Sache.
Sodann folgt die Beweisaufnahme. In ihr forscht das Gericht nach der Wahrheit (vgl. § 243 Abs. 2 StPO) und klärt den Tatvorwurf auf, indem es Zeugen und Sachverständige vernimmt und sonstige als Beweismittel dienende Schriftstücke und Gegenstände verwertet. Nachdem alle Beweismittel ausgeschöpft worden sind, schließt das Gericht die Beweisaufnahme.
Sodann erhalten der Staatsanwalt und der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort (Schlussvortrag oder auch Plädoyer genannt).
Dem Angeklagte gebührt stets das sog. „letzte Wort". Hierdurch erhält er Gelegenheit, noch etwas zu seiner Verteidigung vorzubringen, bevor sich das Gericht zur Beratung zurückzieht.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Überzeugung (Grundsatz der freien Beweiswürdigung, § 261 StPO). Hat das Gericht nach der Beweisaufnahme noch Zweifel an der Schuld des Angeklagten, muss es diesen freisprechen („Im Zweifel für den Angeklagten" oder auch „In dubio pro reo"). Nur wenn das Gericht von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist, darf es ihn verurteilen.
Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Urteilsverkündung. Das Verfahren ist damit in der ersten Instanz abgeschlossen. Gegen das Urteil kann der Verurteilte oder auch die Staatsanwaltschaft nun innerhalb bestimmter Fristen Rechtsmittel (Berufung oder Revision) einlegen. Geschieht dies nicht oder bleiben Rechtsmittel erfolglos, wird das Urteil rechtskräftig, d.h. dass dieses nunmehr nicht mehr anfechtbar ist. Die Entscheidung, bei Verurteilung der Schuldspruch und die Rechtsfolgenentscheidung, wird unabänderlich. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist nur in engen Grenzen möglich.
Ist das Urteil rechtskräftig geworden, schließt sich das Vollstreckungsverfahren an. In diesem werden die in dem Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen der Tat (z.B. Geldstrafe oder Freiheitsstrafe) verwirklicht bzw. durchgesetzt. Die Strafvollstreckung erfolgt durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde. Bei der Vollstreckung von Rechtsfolgen gegen Jugendliche oder gegen nach Jugendstrafrecht verurteilte Heranwachsende sind die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde dem Jugendrichter als Vollstreckungsleiter übertragen (§ 82 Abs. 1 JGG). Rechtsgrundlagen der Strafvollstreckung sind u.a. die §§ 449 – 463 d StPO, die Strafvollstreckungsordnung (StVollstrO) und bei Geldstrafen auch die Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO) sowie die Einforderungs- und Beitreibungsordnung (EBAO). Bei Freiheitsstrafen gehört i.w.S. zur Strafvollstreckung der eigentliche Strafvollzug, dessen Einzelheiten das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) regelt.
Das Strafbefehlsverfahren (§§ 407 – 412 StPO) dient der schnellen und kostengünstigen Straffestsetzung ohne aufwendige und Aufsehen in der Öffentlichkeit erregende Hauptverhandlung. Es kommt nur bei einfach liegenden Fällen und bei Vergehen geringeren Gewichts in Betracht, die zur Zuständigkeit des Amtsgericht (Strafrichter oder Schöffengericht) gehören. Es dürfen nur bestimmte Rechtsfolgen, wie z.B. Geldstrafe festgesetzt werden. Eine Freiheitsstrafe kann nur festgesetzt werden, wenn diese ein Jahr nicht übersteigt, sie zur Bewährung ausgesetzt wird und der Beschuldigte einen Verteidiger hat.
Die Staatsanwaltschaft beantragt in geeigneten Fällen beim Amtsgericht den Erlass eines Strafbefehls. Hat das Gericht gegen den Antrag keine Bedenken, erlässt es den Strafbefehl. Wenn das Gericht aber Bedenken hat, ohne eine Hauptverhandlung zu entscheiden, wenn es von der rechtlichen Beurteilung im Strafbefehlsantrag abweicht oder eine andere als die beantragte Strafe festsetzen will und die Staatsanwaltschaft bei ihrem Antrag bleibt, so beraumt das Gericht Hauptverhandlung an und leitet die Angelegenheit damit in das normale Strafverfahren über.
Erlässt das Gericht einen Strafbefehl, kann der Beschuldigte gegen diesen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch einlegen und hierdurch erreichen, dass Termin zur Hauptverhandlung anberaumt wird. Legt der Beschuldigte nicht fristgerecht oder gar nicht Einspruch ein, wird der Strafbefehl rechtskräftig und kann vollstreckt werden.
Das Gesetz lässt unter gewissen Voraussetzungen zu, dass sich der durch eine Straftat Verletzte an dem Strafverfahren aktiv beteiligen kann.
Bei bestimmten „leichteren" Delikten, die im Gesetz aufgeführt sind (z.B. Haufriedensbruch, Beleidigung und Körperverletzung) und die Allgemeinheit i.d.R. wenig berühren, erhebt die Staatsanwaltschaft öffentliche Klage nur, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Verneint sie dieses und sieht sie von der Erhebung der Anklage ab, kann statt dessen der Verletzte selbst eine Klage (Privatklage) erheben und so die Verfolgung des Täters erreichen. Das Verfahren richtet sich nach Erhebung der Privatklage nach den Vorschriften, die für das normale Strafverfahren gelten. Bei verschiedenen Delikten ist die Erhebung der Privatklage aber erst zulässig, wenn zuvor ein Sühneversuch vor einer Vergleichsbehörde (Schiedsmann/-frau) erfolglos versucht worden ist. Die Privatklage kann zu Protokoll der Geschäftsstelle oder durch Einreichung einer Anklageschrift erhoben werden. Die Staatanwaltschaft kann in jeder Lage der Sache bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils die Verfolgung übernehmen.
Eine umfassende Beteiligung des Opfers besonders schwerwiegender Delikte (z.B. Vergewaltigung, Körperverletzung oder Geiselnahme) gewährleistet die Nebenklage. Dem Nebenkläger wird die Gelegenheit gegeben, im Verfahren seine persönlichen Interessen auf Genugtuung zu verfolgen, insbesondere durch aktive Beteiligung (Erklärungen, Fragen, Anträge, Einlegung von Rechtsmitteln usw.) das Verfahrensergebnis zu beeinflussen. Seiner Rechtsstellung nach ist der Nebenkläger ein mit besonderen Rechten ausgestatteter Verfahrensbeteiligter. Der Nebenkläger kann sich des Beistandes eines Rechtsanwalts bedienen, dessen Kosten unter gewissen Voraussetzungen von der Staatskasse übernommen werden. Will sich der Verletzte der öffentlichen Klage als Nebenkläger anschließen, muss er gegenüber dem Gericht den Anschluss schriftlich erklären. Über die Berechtigung zum Anschluss als Nebenkläger entscheidet dann das Gericht.
Das Opfer einer Straftat erlangt häufig durch die Straftat auch einen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch (z.B. Schmerzensgeldanspruch bei Körperverletzungen) gegen den Täter. Diese zivilrechtlichen Ansprüche müssen grds. vor den Zivilgerichten verfolgt werden. Das Strafverfahren ist grds. streng von dem Zivilverfahren zu trennen, da beide Verfahren unterschiedliche Zwecke verfolgen. Im Rahmen des Adhäsionsverfahrens kann der Verletzte unter gewissen Voraussetzungen jedoch ausnahmsweise gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenden vermögensrechtlichen Anspruch schon im Strafverfahren geltend machen. Dadurch kann vermieden werden, dass mehrere Gerichte in derselben Sache tätig werden und zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Der Antrag, durch den der zivilrechtliche Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlussvorträge gestellt werden. Der Antrag muss Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten kann auf Antrag Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bewilligt werden. Eine Entscheidung über den Anspruch ergeht in dem Strafurteil.
Das Gesetz sieht als weitere Befugnisse des Verletzten vor, dass diesem auf Antrag der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens mitzuteilen ist, soweit es ihn betrifft. Zudem hat er unter gewissen Voraussetzungen einen Akteneinsichtsanspruch. Schließlich kann sich der Verletzte im Strafverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen. Dieser Rechtsanwalt hat dann u.a. ein Anwesenheitsrecht bei Vernehmungen des Verletzten und kann dessen Recht zur Beanstandung von Fragen ausüben.
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A) Überblick
Im Folgenden wird ein Überblick gegeben über die wesentlichen und in der Praxis bedeutsamsten Möglichkeiten der Anfechtung strafrichterlicher Entscheidungen.
Will man sich gegen die Entscheidung eines Gerichts im Strafverfahren wehren, sieht das Gesetz folgende sog. „ordentlichen Rechtsbehelfe“ vor:
Daneben gibt es noch die sog. „außerordentlichen Rechtsbehelfe“. Zu denen gehören:
Neben all diesen Rechtsbehelfen kommen u.U. weitere Rechtsbehelfe, wie z.B. Gegenvorstellungen oder Dienstaufsichtsbeschwerden in Betracht, die jedoch außerhalb der Verfahrensordnung stehen und auf den Verfahrensablauf keinen unmittelbaren Einfluss haben und daher in der Praxis auch eine untergeordnete Rolle spielen. Auch die Menschenrechtsbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ist ein Rechtsbehelf, der in der Praxis eher eine Ausnahmerolle einnimmt. Über die Möglichkeiten, Erfolgsaussichten und Zweckmäßigkeit solcher Rechtsbehelfe informiert Sie die Anwaltskanzlei Kucera bei Bedarf jedoch gerne im Rahmen eines individuellen Beratungsgesprächs.
Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die in der Praxis bedeutsamsten und gesetzlich geregelten Rechtsbehelfe. Hierbei wird für den Ratsuchenden ein erster Überblick über das Wesen und die wesentlichen Voraussetzungen der Rechtsbehelfe gegeben. Besonderheiten für den Bereich des Jugendstrafrechts werden an dieser Stelle ausgeklammert. Darüber hinaus wird ausdrücklich empfohlen, einen im Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen, wenn Sie von einer strafrechtlichen Entscheidung betroffen sind, deren Überprüfung Sie erstreben.
Die Rechtsanwaltskanzlei Kucera berät Sie in diesem Fall gern.
I) Allgemeine Beschwerde
Bestimmte Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, wie Beschlüsse und Verfügungen, können mit der Beschwerde angefochten werden.
Besonders praxisrelevant sind z.B. Beschwerden gegen:
Die Beschwerde ist grds. bei dem Gericht einzulegen, das die Entscheidung erlassen hat (sog. iudex a quo).
Soweit dieses Gericht nach der Prüfung der Auffassung ist, dass die Beschwerde begründet ist, kann es seine frühere Entscheidung aufheben bzw. abändern. Andernfalls legt es die Beschwerde dem nächst höheren Gericht (dem sog. Beschwerdegericht) zur Entscheidung vor. Das Gericht überprüft die angefochtene Entscheidung in tatsächlicher wie in rechtlicher Beziehung. Das bedeutet, dass das Gericht zum einen prüft, ob der Entscheidung die richtigen Tatsachen, d.h. der richtige Sachverhalt zugrunde gelegt und zum anderen, ob bei der Entscheidung die gesetzlichen Vorschriften korrekt auf den Sachverhalt angewendet wurden. Das Gericht entscheidet über die Beschwerde grds. ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. In Ausnahmefällen, wie z.B. bei Haftbeschwerden, kann auch nach mündlicher Verhandlung entschieden werden.
Die Beschwerde ist an keine Frist gebunden.
Durch die Einlegung einer Beschwerde wird der Vollzug der angefochtenen Entscheidung bis auf wenige im Gesetz geregelte Ausnahmen nicht gehemmt. Das bedeutet, dass z.B. bei einer Beschwerde gegen einen Haftbefehl der Beschuldigte nicht solange aus der Haft entlassen wird, bis eine Entscheidung über die Beschwerde getroffen wird.
Eine besondere Form der Beschwerde ist die sog. sofortige Beschwerde, die in bestimmten, vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen (z.B. beim Widerruf von Bewährungen), eingelegt werden kann. Die sofortige Beschwerde ist innerhalb einer Frist von einer Woche nach Bekanntgabe der anzufechtenden Entscheidung bei dem Gericht einzulegen, dass die Entscheidung erlassen hat. Dieses Gericht ist anders als bei der allgemeinen Beschwerde grds. nicht befugt, seine eigene Entscheidung aufzuheben oder zu ändern, sondern muss die Beschwerde dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorlegen.
Hat das Beschwerdegericht über die Beschwerde entschieden ist diese Entscheidung nicht weiter angreifbar. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass eine einmalige gerichtliche Nachprüfung ausreichend ist. Nur in wenigen Ausnahmefällen, in denen die angefochtene Entscheidung besonders einschneidende Maßnahmen angeordnet hat, wie z.B. bei Verhaftungen, sieht das Gesetz eine sog. weitere Beschwerde vor.
Gegen Urteile des Amtsgerichts ist die Berufung statthaft. Sie ist binnen einer Frist von einer Woche nach Verkündung des Urteils bei dem Gericht einzulegen, das das Urteil erlassen hat (sog. iudex a quo).
In bestimmten Fällen von Bagatellkriminalität ist die Berufung nur zulässig, wenn sie vom Berufungsgericht (Landgericht) angenommen wird. Dies geschieht nur, wenn die Berufung nicht offensichtlich unbegründet ist. In der Praxis spielt die sog. Annahmeberufung jedoch keine große Rolle.
Nachdem die Berufung über die Staatsanwaltschaft an das nächst höhere Gericht, dem Landgericht als Berufungsgericht, weitergeleitet wurde, überprüft dieses das Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht. Das Wesen der Berufung liegt darin, dass das Berufungsgericht aufgrund einer neuen Hauptverhandlung eine neue und eigene Entscheidung fällt. Es prüft nicht bloß das erstinstanzliche Urteil auf Rechtsfehler, sondern führt in einer neuen Hauptverhandlung eine neue Beweisaufnahme durch, die sich grundsätzlich nach denselben Regeln richtet wie die erstinstanzliche Hauptverhandlung. Das Gericht kann mithin z.B. sämtliche Zeugen, die schon in der ersten Instanz gehört wurden, noch einmal vernehmen. Das Berufungsgericht kann auch neue Beweise (z.B. neue Zeugen) und neue Tatsachen berücksichtigen. Das Berufungsgericht verschafft sich also einen eigenen Eindruck von der Sache und trifft eine eigene Entscheidung. Nur in Ausnahmefällen verweist das Berufungsgericht die Sache an ein anderes Gericht. Die Berufungsinstanz ist also gewissermaßen eine „zweite Erstinstanz“.
Durch die rechtzeitige Einlegung der Berufung wird die Rechtskraft des Urteils, soweit es angefochten ist, gehemmt. Das bedeutet, dass das Urteil während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens nicht vollstreckt werden kann. Wird der sich auf freiem Fuß befindliche Angeklagte etwa zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, muss er diese während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens nicht antreten.
Die im angefochtenen Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen (z.B. Freiheitsstrafe oder Geldstrafe) dürfen vom Berufungsgericht in Art und Höhe dann nicht verschlimmert, also etwa erhöht werden, wenn nur der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat (sog. Verschlechterungsverbot oder Verbot der reformatio in peius). Legt aber die Staatsanwaltschaft Berufung zum Nachteil des Angeklagten ein, etwa mit dem Ziel einer höheren Verurteilung, kann das Berufungsgericht diesem Antrag folgen und die Rechtsfolgen erhöhen. Eine Erhöhung etwa der Freiheits- oder Geldstrafe kann auch in der Konstellation erfolgen, dass sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen. Ist z.B. einerseits dem Angeklagten die verhängte Strafe zu hoch oder hält er sich für unschuldig und erstrebt einen Freispruch und hält andererseits die Staatsanwaltschaft die verhängte Strafe noch für zu milde und legen sowohl Staatsanwaltschaft als auch Angeklagter Berufung ein, kann das Berufungsgericht die Strafe letztendlich auch erhöhen.
Die Revision in Strafsachen ist strafrechtliches „Hochtrapez“ und gehört zu den schwierigsten Rechtsgebieten der Rechtswissenschaft überhaupt. Die Revision ist ein sehr eingeschränktes Rechtsmittel, mit dem nur eine Überprüfung des Urteils auf Rechtsfehler erreicht werden kann. Eine Neuverhandlung der Sache im Revisionsrechtszug ist ausgeschlossen. Gerade diese Abgrenzung zwischen Tat- und Rechtsfragen sowie die Tatsache, dass das Verfahren von strengen Formvorschriften geprägt ist, bereitet große Schwierigkeiten in der Praxis, weshalb die Revision in ihrem Wesen nicht nur dem Laien unzugänglich ist, sondern vielfach auch dem nicht spezialisierten Juristen. Erschwerend kommt hinzu, dass gerade in Fällen, in denen ein Urteil nur mit der Revision angreifbar ist, also bei schweren und schwersten Straftaten, die erstinstanzlich beim Landgericht verhandelt werden, nur das eine Rechtsmittel der Revision zur Verfügung steht, während bei vergleichsweise weniger schwerwiegenden Straftaten, die erstinstanzlich beim Amtsgericht verhandelt werden, eine zweite völlig neue Tatsachenverhandlung in der Berufungsinstanz erreicht werden kann und anschließend noch die Revision gegen das Berufungsurteil zur Verfügung steht. Es ist daher dringend zu empfehlen, sich bei Revisionen im Strafrecht frühzeitig durch einen Spezialisten, d.h. durch einen Fachanwalt für Strafrecht mit Erfahrung und Kompetenz im strafrechtlichen Revisionsrecht verteidigen zu lassen.
Die Revision kann eingelegt werden gegen erstinstanzliche Urteile des Landgerichts und Oberlandesgerichts sowie gegen zweitinstanzliche Berufungsurteile des Landgerichts. Sie ist ferner zulässig gegen Urteile des Amtsgerichts durch Überspringen der Berufungsinstanz beim Landgericht (sog. Sprungrevision). Wird gegen erstinstanzliche Urteile des Landgerichts oder des Oberlandesgerichts Revision eingelegt, ist zuständiges Revisionsgericht der Bundesgerichtshof. Wird gegen ein Urteil des Amtsgerichts zunächst Berufung beim Landgericht eingelegt und wird sodann dieses Berufungsurteil mit der Revision angegriffen, ist Revisionsgericht das Oberlandesgericht. Gleiches gilt im Falle einer Sprungrevision gegen Urteile des Amtsgerichts.
Die Revision ist innerhalb einer Frist von einer Woche ab Urteilsverkündung bei dem Gericht einzulegen, dass das Urteil erlassen hat (sog. iudex a quo). Zudem muss die Revision innerhalb einer weiteren Frist von einem Monat nach Ablauf der Einlegungsfrist bzw. Urteilszustellung begründet werden. Wichtig ist, dass die schriftliche Revisionsbegründung durch einen Strafverteidiger erfolgen muss.
Die Besonderheit der Revision liegt darin, dass sie nur eine erheblich eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit bietet. Anders als z.B. bei der Berufung, prüft das Revisionsgericht allein, ob das untere Gericht das Gesetz auf die von ihm festgestellten Tatsachen richtig angewendet hat. Der vom unteren Gericht festgestellte Sachverhalt hingegen wird als feststehend betrachtet. Es kommt demnach (anders als bei der Berufung) weder zu einer Wiederholung der Hauptverhandlung noch überhaupt zu einer Beweisaufnahme mit dem Ziel festzustellen, ob die vom unteren Gericht festgestellten Tatsache inhaltlich „richtig“ sind. Glaubt man daher z.B., dass eine Verurteilung auf der falschen Aussage eines Zeugen beruht, kann mit der Revision nicht erreicht werden, dass das Revisionsgericht den Zeugen in einer neuen Hauptverhandlung nochmals zum Tatvorwurf vernimmt und prüft, ob der Zeuge nun die Wahrheit sagt oder nicht.
Das Revisionsgericht prüft demnach nur, ob das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Ein Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Bei den Gesetzen wird im Kern zwischen den Verfahrensvorschriften und dem sog. sachlichen Recht unterschieden. Unter Verfahrensvorschriften sind solche zu verstehen, die bestimmen, auf welchem Wege der Richter zur Urteilsfindung gelangt. Solche sind für das Strafverfahren in erster Linie in der Strafprozessordnung (StPO), aber auch in anderen Gesetzen, wie u.a. dem Grundgesetz (GG) enthalten. So regelt die StPO, wie eine Straftat verfolgt wird, d.h. welche Maßnahmen zur Erforschung und Urteilsfindung zulässig sind. Verstöße gegen solche Verfahrensvorschriften können im Revisionsverfahren mit der sog. Verfahrensrüge angriffen werden. Mit der sog. Sachrüge kann hingegen geltend gemacht werden, dass bei der Anwendung des sachlichen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt Fehler gemacht worden sind. Unter sachlichem Recht versteht man hierbei in erster Linie diejenigen Vorschriften, die festlegen, unter welchen Voraussetzungen sich eine Person strafbar macht. Solche Vorschriften sind in erster Linie im Strafgesetzbuch enthalten, aber auch in zahlreichen anderen Gesetzen des sog. Nebenstrafrechts (wie z.B. im Betäubungsmittelgesetz (BtMG, im Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder im Waffengesetz (WaffG).
Ein Gesetzesverstoß kann beispielsweise vorliegen und mit der Revision angegriffen werden, wenn:
Die möglichen Gesetzesverstöße in einem Strafprozess sind vielfältig, so dass sie selbstverständlich nicht abschließend aufgezählt werden können. Gerade in der Aufspürung dieser Gesetzesverstöße liegt die besondere Schwierigkeit des Revisionsrechts und die „Kunst“ der Verteidigung.
Erachtet das Revisionsgericht die Revision für unzulässig, weil sie z.B. zu spät eingelegt wurde, verwirft es die Revision ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Erachtet es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet, ergeht die Entscheidung ebenfalls ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, wenn die Staatsanwaltschaft dies beantragt. Gleiches gilt im Falle einer zugunsten des Angeklagten eingelegten Revision, wenn das Revisionsgericht die Revision einstimmig für begründet erachtet. In allen anderen Fällen, die in der Praxis jedoch eher die Ausnahme sind, ergeht die Entscheidung nach Durchführung einer Hauptverhandlung durch Urteil. Eine solche Hauptverhandlung unterscheidet sich von einer Hauptverhandlung in der ersten Instanz oder auch in der Berufungsinstanz grundlegend. So ist z.B. der Angeklagte zum Erscheinen vor dem Revisionsgericht nicht verpflichtet. Zudem wird in der Hauptverhandlung nur über Rechtsfragen verhandelt, so dass ein Rechtsgespräch zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung im Vordergrund steht. Eine Beweisaufnahme über den Tatvorwurf selbst findet im Gegensatz zu den unteren Instanzen nicht mehr statt.
Kann das Revisionsgericht nach der Prüfung keinen Rechtsfehler erkennen, wird die Revision als unbegründet verworfen. Soweit das Revisionsgericht die Revision für begründet erachtet, hebt es das angefochtene Urteil auf und verweist es in der Regel an die Vorinstanz zurück. Die Zurückverweisung erfolgt aber nicht mehr an die gleiche Abteilung, Kammer oder den gleichen Senat des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben worden ist, sondern an einen anderen Spruchkörper dieses Gerichtes oder an ein demselben Land zugehöriges Gericht gleicher Ordnung. Nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen kann das Revisionsgericht selbst entscheiden. Ist das Revisionsgericht z.B. der Auffassung, dass der Angeklagte auf der Grundlage der von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen unschuldig ist und auch eine neue Hauptverhandlung in der Vorinstanz nach einer etwaigen Zurückverweisung an diesem Ergebnis nichts zu ändern vermag, kann es das erstinstanzliche Urteil aufheben und den Angeklagten selbst freisprechen.
Wie im Berufungsverfahren (vgl. oben) gilt auch im Revisionsverfahren das Verbot der Verschlechterung (sog. Verbot der reformatio in peius). Die im angefochtenen Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen (z.B. Freiheitsstrafe oder Geldstrafe) dürfen auch hier in Art und Höhe dann nicht verschlimmert, also etwa erhöht werden, wenn nur der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Legt aber auch die Staatsanwaltschaft Revision zum Nachteil des Angeklagten ein, etwa mit dem Ziel einer höheren Verurteilung, können die Rechtsfolgen auch erhöht werden.
Wie bei der Berufung hemmt die rechtzeitige Einlegung der Revision die Rechtskraft des Urteils. Das bedeutet, dass ein Urteil nicht vollstreckt werden kann, solange das Rechtsmittelverfahren läuft.
Für den unteren bis mittleren Bereich der Kriminalität sieht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Strafbefehlsverfahren eine beschleunigte und vereinfachte Verfahrenserledigung vor, die in der Praxis sehr oft vorkommt. Das Gericht kann auf entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer Hauptverhandlung einen sog. Strafbefehl erlassen, in dem u.a. die Straftat, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird und die entsprechenden Rechtsfolgen (z.B. Geldstrafe) festgelegt werden. Ergeht ein solcher Strafbefehl und will man sich hiergegen wehren, kann innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung bei dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat, ein Einspruch eingelegt werden. Hierdurch kann erreicht werden, dass das Gericht sodann eine gerichtliche Hauptverhandlung anberaumt. Diese findet nicht bei dem nächst höheren Gericht, sondern bei dem Gericht statt, dass den Strafbefehl erlassen hat. In dieser Hauptverhandlung findet sodann eine „normale“ Hauptverhandlung statt, in der im Rahmen einer Beweisaufnahme z.B. auch alle Zeugen vernommen und Einwendungen gegen den Tatvorwurf vorgebracht werden können. Am Ende der Verhandlung kann das Gericht durch „normales“ Urteil über den Tatvorwurf entscheiden. Gegen dieses Urteil sind dann die allgemeinen Rechtsmittel (Berufung und Revision) möglich.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens dient dazu, Strafverfahren, die mit einem rechtskräftigen Urteil (rechtskräftige Strafbefehle stehen dem gleich) abgeschlossen wurden, wiederaufzurollen, damit Justizirrtümer und Fehlurteile beseitigt werden können. Sind die Rechtsmittel gegen Urteile erschöpft, wird ein Urteil, sei es auch noch so falsch, rechtskräftig. Dies nimmt der Gesetzgeber im Interesse des verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzips grds. hin. Nun gibt es aber Fälle, in denen erst nach Rechtskraft Umstände bekannt werden, die das Urteil in einer für das Gerechtigkeitsempfinden unerträglichen Weise als offensichtlich falsch erscheinen lassen. Der Grundgedanke der Wiederaufnahme ist es, in solchen Ausnahmefällen die Rechtskraft zu durchbrechen und damit das eigentlich abgeschlossene Strafverfahren in das Hauptverfahren zurückzuversetzen.
Die Wiederaufnahme ist nur in den gesetzlich abschließend geregelten Ausnahmefällen zulässig. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen der Wideraufnahme zugunsten des Verurteilten und der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten.
Wiederaufnahmegründe bei Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten liegen danach vor:
Wiederaufnahmegründe bei Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten liegen vor:
Die Wiederaufnahmegründe gelten auch bei Wiederaufnahmeverfahren gegen rechtskräftige Strafbefehle. Zusätzlich kann die Wiederaufnahme zuungunsten des Verurteilten aber auch dann betrieben werde, wenn sich unter bestimmten Voraussetzungen im Nachhinein herausstellt, dass die verurteilte Tat im Gegensatz zur Wertung durch das Ausgangsgericht nunmehr als sog. Verbrechen (besonders schwere Straftaten, für die der Gesetzgeber Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr oder mehr vorsieht) und nicht als sog. Vergehen (Straftaten, für die das Gesetz geringere Strafen vorsieht) zu beurteilen ist.
Eine Wiederaufnahme zu dem Zweck, eine andere Strafbemessung aufgrund desselben Strafgesetzes oder eine Milderung der Strafe wegen verminderter Schuldfähigkeit herbeizuführen, ist unzulässig.
Von den oben aufgeführten Wiederaufnahmegründen ist das Beibringen neuer entlastender Tatsachen und Beweismittel der in der Praxis wichtigste Wiederaufnahmegrund zugunsten des Verurteilten. Werden also z.B. nach der Verurteilung Zeugen bekannt, die den Verurteilten entlasten können - wie etwa beim Wiederauftauchen des angeblich Getöteten- , kann dies die Wiederaufnahme rechtfertigen.
Das Wiederaufnahmeverfahren wird durch einen formgebundenen Antrag eingeleitet, der die Wiederaufnahmegründe und die Beweismittel angeben muss. Vom Verurteilten kann der Antrag nur mit einem Strafverteidiger gestellt werden. Der Antrag selbst führt – anders als bei Berufung und Revision - noch nicht dazu, dass die Wirksamkeit, also die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils aufgeschoben wird.
Der Antrag ist gem. § 367 StPO zu richten an das nach § 140a GVG zuständige Gericht; das ist i.d.R. ein anderes Gericht mit gleicher sachlicher Zuständigkeit als das Gericht, gegen dessen Entscheidung sich der Wiederaufnahmeantrag richtet. Der Antrag kann aber auch bei dem Gericht eingereicht werden, dessen Urteil angefochten wird; dieses leitet den Antrag dann an das zuständige Gericht weiter.
Das zuständige Gericht nimmt sodann zunächst eine Zulässigkeitsprüfung (sog. Additionsverfahren) vor und prüft insbesondere, ob der Antrag die gesetzliche Form wahrt, ob er gesetzliche Wiederaufnahmegründe (vgl. oben) geltend macht und ob er geeignete Beweismittel anführt. Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, der entweder auf Verwerfung des Antrages als unzulässig oder auf dessen Zulassung lautet. Gegen die Entscheidung kann die jeweils „unterlegene“ Partei sog. sofortige Beschwerde (vgl. oben) einlegen.
Ist der Wiederaufnahmeantrag zulässig, hat ihn das Gericht dem Gegner (i.d.R. die Staatsanwaltschaft) zur Erklärung zuzustellen.
Dann prüft das Gericht (im sog. Probationsverfahren), ob der Wiederaufnahmeantrag begründet ist, d.h. ob die Voraussetzungen der im Gesetz genannten Wiederaufnahmegründe auch tatsächlich vorliegen. Entscheidend ist dabei, ob die geltend gemachten Wiederaufnahmetatsachen „genügende Bestätigung“ gefunden haben. Das ist der Fall, wenn aufgrund der Beweisaufnahme ihre Richtigkeit hinreichend wahrscheinlich ist. Ein voller Beweis ist dagegen nicht erforderlich. Das Gericht beauftragt einen Richter mit der Beweisaufnahme, in der die vom Antragsteller angetretenen Beweise und Tatsachen auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Nach Schluss der Beweisaufnahme sind der Staatsanwaltschaft und der Angeklagte unter Bestimmung einer Frist zu weiterer Erklärung über das Ergebnis der Beweisaufnahme aufzufordern.
Anschließend ergeht ohne mündliche Verhandlung ein Beschluss des Gerichtes. Lehnt es die Wiederaufnahmevoraussetzungen ab, verwirft es den Wiederaufnahmeantrag. Hiergegen kann der Antragsteller sofortige Beschwerde (vgl. oben) einlegen. Bejaht das Gericht die Begründetheit, ordnet es i.d.R. die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an. In gesetzlich bestimmten Ausnahmefällen kann das Gericht auch ohne eine neue Hauptverhandlung (durch Beschluss) entscheiden, nämlich etwa dann, wenn aufgrund entsprechend eindeutiger Beweislage (und i.d.R. bei Zustimmung der Staatsanwaltschaft) nur ein Freispruch in Betracht kommt oder wenn bei einem verstorbenen Verurteilten (das Wiederaufnahmeverfahren zugunsten des Verurteilten wird durch dessen Tod nicht ausgeschlossen) ein Freispruch in Betracht kommt. Der Beschluss mit dem die Wiederaufnahme und die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet wird, kann von der Staatsanwaltschaft nicht mehr angefochten werden und hat weitreichende Bedeutung, da er die Rechtskraft und vor allem die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils beseitigt. Er versetzt das Verfahren also in den Zustand zurück, in dem es sich vor dem Urteil befunden hat. Die Vollstreckung muss demnach sofort beendet werden.
In der neuen Hauptverhandlung hat das Gericht (das dasselbe ist wie im Wiederaufnahmeverfahren) neu und selbständig über den Anklagevorwurf zu entscheiden, so, als wenn zuvor niemals ein Urteil ergangen wäre. Insbesondere muss die gesamte Beweisaufnahme vollständig durchgeführt, d.h. also etwa Zeugen vernommen werden. Die neue Verhandlung kann, wie jede andere „normale“ Hauptverhandlung mit Verurteilung oder Freispruch (oder auch Einstellung) enden. Aber auch im Wiederaufnahmeverfahren gilt (wie bei Revision und Berufung) das sog. Verschlechterungsverbot (auch Verbot der reformatio in peius genannt), so dass das frühere Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen nicht zum Nachteil des Verurteilten geändert werden, wenn das Wiederaufnahmeverfahren zu seinen Gunsten beantragt wurde. Wird der Verurteilte frei gesprochen, muss das bisherige Urteil aufgehoben werden.
Ergeht nach der neuen Hauptverhandlung ein Urteil, kann dieses, von der jeweils „unterlegenen“ Partei mit den allgemeinen Rechtsmitteln (Berufung/Revision) angefochten werden.
Für Strafverfahren sieht der Gesetzgeber zahlreiche Fristen vor, in denen die Verfahrensbeteiligten z.B. Prozesshandlungen vornehmen müssen, damit sie zulässig sind. Solche Fristen können aus vielfältigen Gründen versäumt werden. In solchen Fällen kann unter bestimmten Voraussetzungen der Rechtsbehelf der sog. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weiterhelfen. In der Praxis besonders relevant ist dieser Rechtsbehelf bei Versäumung von Rechtsmittelfristen bei Berufung und Revision.
Wird Wiedereinsetzung gewährt, wird das Verfahren in den Zustand versetzt, der bestanden hätte, wenn die Frist nicht versäumt worden wäre. Eine schon eingetretene Rechtskraft fällt ebenso weg, wie ein ergangenes Urteil. Hat also z.B. ein Angeklagter unverschuldet versäumt, gegen ein Urteil Berufung oder Revision einzulegen und beantragt er erfolgreich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so kann anschließend das Berufungs- bzw. Revisionsverfahren „ganz normal“ durchgeführt werden, so, als wäre die Frist nicht versäumt worden.
Das Widereinsetzungsverfahren führt nur zum Erfolg, wenn der Betroffene ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Das ist schon dann der Fall, wenn das Gericht den Betroffenen nicht über Rechtsmittelfristen belehrt hat. Im Übrigen fehlt es an einem Verschulden, wenn bei Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse des Einzelfalles der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung ausgeschlossen werden kann. So etwa bei einem Unfall, einer Erkrankung oder bei bestimmten Naturereignissen (z.B. starke Schneefälle oder Erdbeben). Kann eine Frist z.B. wegen einer vorübergehenden Urlaubsabwesenheit nicht eingehalten werden, kann eine Fristversäumnis dann unverschuldet sein, wenn der Betroffene nicht mit gerichtlichen Maßnahmen zu rechnen brauchte. Auch Verzögerungen bei der Postzustellung, die nicht im Verantwortungsbereich des Betroffenen liegen, sind ihm daher nicht anzulasten. Wird also ein Brief so bei der Post aufgegeben, dass unter Zugrundelegung der gewöhnlichen Postlaufzeit mit einem fristgerechtem Zugang beim Gericht zu rechnen ist und kommt es dann infolge eines Verschuldens der Post zu Verzögerungen, kann dem Betroffenen Wiedereinsetzung gewährt werden. Ein etwaiges Verschulden des Strafverteidigers und dessen Personals, das zur Fristversäumnis führt, ist dem Angeklagten i.d.R. nicht zuzurechen.
Das Wiedereinsetzungsverfahren ist i.d.R. durch einen Antrag einzuleiten und zwar bei dem Gericht, bei welchem die (versäumte) Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Der Antrag muss innerhalb einer Frist von einer Woche nach Wegfall des Hindernisses eingelegt werden. Ist z.B. eine noch vor Fristablauf eingereichte Revisionsschrift verspätet bei Gericht eingegangen, beginnt die Wiedereinsetzungsfrist also erst, wenn der Betroffene von der Verspätung Kenntnis erlangt. Soweit das Gericht nicht einen Aufschub der Vollstreckung anordnet, hemmt der Wiedereinsetzungsantrag die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung noch nicht. Die Tatsachen, die den Antrag begründen sollen, sind im Antrag oder im Verfahren glaubhaft zu machen. Das kann z.B. durch Benennung von Zeugen oder auch durch sog. eidesstattliche Versicherung geschehen. Die Wiedereinsetzungsgründe brauchen nicht voll bewiesen werden und zur vollen Überzeugung des Gerichts festzustehen. Es genügt, dass sie wahrscheinlich sind. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung (etwa die Einlegung der Berufung) nachzuholen.
Über den Antrag entscheidet das Gericht, dass zuständig gewesen wäre, wenn die Frist nicht versäumt worden wäre, also z.B. bei der Versäumung einer Rechtsmittelfrist das Rechtsmittelgericht oder das Amtsgericht bei Versäumung der Einspruchsfrist gegen einen Strafbefehl.
Die Entscheidung des Gerichts darüber, ob Wiedereinsetzung gewährt wird oder nicht, ergeht durch Beschluss. Wird Wiedereinsetzung gewährt, kann der entsprechende Beschluss nicht mehr angefochten werden. Gegen eine die Wiedereinsetzung ablehnende Entscheidung kann binnen einer Frist von einer Woche die sog. sofortige Beschwerde (vgl. oben) eingelegt werden.
Zu erheben und zu begründen ist die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung oder Bekanntgabe der anzufechtenden Entscheidung.
Die Verfassungsbeschwerde hat eine begrenzte Funktion. Sie ist kein zusätzlicher Rechtsbehelf, der dazu führt, dass die Angelegenheit erneut vollständig auf deren „Richtigkeit“ hin geprüft wird. Die Prüfung des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich vielmehr darauf, ob die Entscheidung der Fachgerichte ein im Grundgesetz (GG) geregeltes Grundrecht oder ein in Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 oder 104 GG geregeltes grundrechtsgleiches Recht des Beschwerdeführers verletzt. Die Gestaltung des gerichtlichen Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung der Gesetze und ihre Anwendung auf den Einzelfall ist aber der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgerichts entzogen.
Die (weiteren) Voraussetzungen und das Verfahren der Verfassungsbeschwerde sind außerhalb des Strafrechts im Grundgesetz (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz (§§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG) geregelt.
Christian Kucera
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Strafrecht
Die Kosten einer Strafverteidigung richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder nach einer Vergütungsvereinbarung.
Die gesetzlichen Gebühren für einen vom Mandanten frei ausgewählten und beauftragten Verteidiger (Wahlverteidiger) richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Dort ist gesetzlich geregelt, welche Verteidigertätigkeiten welchen Gebührentatbestand auslösen. Das Gesetz legt dabei für die jeweiligen Gebührentatbestände einen bestimmten Gebührenrahmen fest, innerhalb dessen der Verteidiger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Art, des Umfangs und der Bedeutung der Sache die konkrete Gebührenhöhe im Einzelfall bestimmt. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen finden Sie auf der Homepage der Bundesrechtsanwaltskammer (http://www.brak.de/fuer-anwaelte/berufsrecht/).
Anstelle der gesetzlichen Gebühren können Mandant und Verteidiger auch eine Vergütungsvereinbarung treffen. Dies ist gerade in Strafrechtsfällen üblich. In der Regel werden im Rahmen einer solchen Vergütungsvereinbarung Pauschalvergütungen oder Zeithonorare mit festen Stundensätzen vereinbart. Die Höhe der Pauschale oder des Stundensatzes hängt dabei wieder insbesondere von der Art und dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im Einzelfall ab.
Strafverteidiger werden insbesondere bei neuen Mandanten in der Regel erst nach Zahlung von anwaltsüblichen angemessenen Gebührenvorschüssen tätig. Dies gilt im Falle der gesetzlichen Gebühren ebenso, wie im Falle einer Vergütungsvereinbarung.
Sog. Prozesskostenhilfe (PKH) gibt es in Strafrechtsfällen für die Strafverteidigung nicht. Anders ist dies u.U. wenn im Strafprozess gegen den Beschuldigten zugleich auch vermögensrechtliche Ansprüche (sog. Adhäsionsverfahren) geltend gemacht werden. Allerdings liegt in bestimmten gesetzlich geregelten Fällen eine notwendige Verteidigung vor, die sog. Pflichtverteidigung. In solchen Fällen ordnet das Gericht dem Beschuldigten einen sog. Pflichtverteidiger bei. Der Beschuldigte kann dem Gericht auch einen Verteidiger seines Vertrauens vorschlagen. Das Gericht wird in der Regel diesen Vorschlag akzeptieren. Auf die Frage, ob der Beschuldigte einen Anwalt selbst bezahlen kann oder nicht, kommt es grds. nicht an. Eine Pflichtverteidigung kommt insbes. in Betracht, wenn dem Beschuldigten besonders schwere Straftaten (Verbrechen) vorgeworfen werden, wenn das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann oder aber wenn sonst wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint. Bestellt das Gericht dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger, übernimmt erst einmal die Staatskasse die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren, welche allerdings geringer sind als die normalen Wahlverteidigergebühren. Im Falle einer Verurteilung fordert die Staatskasse die an den Verteidiger gezahlten Gebühren aber in der Regel vom Verurteilten zurück. Die Kanzlei Kucera berät Sie gerne darüber, ob in Ihrem Fall die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigung vorliegen.
Ob eine Rechtsschutzversicherung auch die Kosten einer Strafverteidigung übernimmt, richtet sich nach dem jeweiligen Versicherungsvertrag. Wird dem Beschuldigten ein verkehrsrechtliches Vergehen, etwa eine Körperverletzung bei einem Verkehrsunfall, vorgeworfen, wird in der Regel Kostendeckung gewährt. Erst wenn rechtskräftig festgestellt wird, dass das Vergehen doch vorsätzlich begangen wurde, ist der Versicherungsnehmer zur Erstattung gezahlter Anwaltskosten verpflichtet. Bei sonstigen strafrechtlichen Vergehen übernehmen Rechtsschutzversicherungen Kostendeckung in der Regel nur, wenn dem Beschuldigten eine fahrlässige Begehung eines Vergehens vorgeworfen wird. Für Vergehen, die nach dem Gesetz nur vorsätzlich begehbar sind, wie etwa Betrug oder Diebstahl, scheidet eine Kostenübernahme von vornherein aus. Ob in Ihrem Fall eine Rechtsschutzversicherung eintrittspflichtig ist, kann im Rahmen eines ersten persönlichen Gesprächs geklärt werden. Die Kanzlei Kucera kann auch gerne für Sie eine Kostendeckungsanfrage bei Ihrer Versicherung stellen. Rechtsschutzversicherungen übernehmen in der Regel nur die gesetzlichen Anwaltsgebühren nach dem RVG. Ist zwischen Mandant und Verteidiger eine Vergütungsvereinbarung getroffen worden, trägt die Versicherung aber nicht die Kosten, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgehen.
In bestimmten Fällen haben Sie einen Anspruch auf Erstattung der gesetzlichen Gebühren, die Sie an Ihren Verteidiger gezahlt haben. Werden Sie nämlich in einem gerichtlichen Strafverfahren freigesprochen oder wird ein Hauptverfahren gegen Sie nach Anklageerhebung vom Gericht erst gar nicht eröffnet, haben Sie einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass Ihnen die Staatskasse die gesetzlichen Anwaltsgebühren erstattet.
Es gibt Fälle, in denen ein Mandant lediglich einen ersten mündlichen oder schriftlichen rechtlichen Rat oder eine Auskunft benötigt, ohne einen Strafverteidiger auch mit einer weitergehenden Strafverteidigung beauftragen zu müssen oder zu wollen. Wird z.B. in einer bestimmten Situation nur der Rat benötigt, wie man sich verhalten soll oder wird nur die Beantwortung einzelner rechtlicher Fragen begehrt, so können Sie sich auch im Rahmen einer sog. Erstberatung an die Kanzlei Kucera wenden. In einem telefonischen oder – besser – einem persönlichen Gespräch können so einzelne rechtliche Fragen geklärt oder Empfehlungen zu Verhaltensweisen in Strafrechtsfällen gegeben werden. In einer solchen Erstberatung kann insbesondere auch geklärt werden, ob eine weitergehende Beratung erforderlich ist. Die Gebühren für eine sog. Erstberatung sind relativ gering. Nach dem Gesetz (RVG) soll die Höhe der Erstberatungsgebühr mit dem Mandanten vereinbart werden. Ist der Mandant ein Verbraucher, darf die Erstberatungsgebühr dabei aber max. 190 € betragen. Oft wird die Gebühr aber deutlich unter dieser Grenze liegen. Darüber, wann der Bereich einer Erstberatung überschritten ist und weitere Gebühren anfallen, berät Sie die Kanzlei Kucera selbstverständlich rechtzeitig in der Beratung. Wird nach einer Erstberatung vom Mandanten doch eine weitergehende Verteidigung gewünscht, wird die Erstberatungsgebühr selbstverständlich auf die weiteren Gebühren angerechnet.
Da die im Zusammenhang mit den Kosten stehenden Gesichtspunkte vom Einzelfall, insbesondere von der Art und dem Umfang der erforderlichen Verteidigertätigkeiten und auch von der Bedeutung des Falles abhängen, können konkretere Angaben hierzu erst in einem Gespräch zwischen Mandant und Anwalt geklärt werden. In vielen Fällen ist auch eine vorherige Einsicht in die behördlichen oder gerichtlichen Strafakten erforderlich. Die Kanzlei Kucera berät Sie im Rahmen eines Gesprächs selbstverständlich umfassend darüber, mit welchen Kosten in Ihrem Fall zu rechnen ist. Solange lediglich ein Vorgespräch über voraussichtliche Kosten und eine etwaige Mandatsannahme und noch keine weitere rechtliche Beratung erfolgt, fallen für Sie selbstverständlich keine Kosten an. Sobald eine kostenauslösende Beratung erfolgt, wird Sie die Kanzlei Kucera selbstverständlich vorher darauf hinweisen.
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Nicht selten entnimmt man den Medien, dass von der Öffentlichkeit stark beachtete Strafverfahren, wie beispielsweise das seinerzeitige „Mannesmann-Verfahren“ gegen Verhängung einer Geldauflage eingestellt werden. Dies führt in der Öffentlichkeit nicht selten zu heftiger Kritik. „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ – so der Eindruck vieler. Verfolgt man die öffentliche Diskussion fällt auf, dass vielfach Unkenntnis über die rechtlichen Grundlagen der erfolgten Einstellung des Mannesmann-Prozesses herrscht was zum Teil zu einer undifferenzierten und überzogenen Kritik führt. Im Folgenden sollen daher die wesentlichen rechtlichen Grundlagen für eine Einstellung eines Strafverfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage skizziert werden.
Grundlage der Einstellung war § 153a der Strafprozessordnung (StPO). Der Gesetzgeber führte die Vorschrift 1974 zur Entlastung der Justiz im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität ein. Der Anwendungsbereich wurde seitdem ständig erweitert. Heute gehört die Vorschrift zum Praxisalltag. 2004 sind von deutschen Staatsanwaltschaften rund 250.000 Ermittlungsverfahren und allein von deutschen Amtsgerichten rund 67.000 Gerichtsverfahren nach § 153 a StPO eingestellt worden. Studien haben bislang keine direkten Hinweis auf eine Privilegierung begüterter Beschuldigte insbesondere in den komplizierten Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren ergeben.
§ 153a StPO gelangt nur bei rechtswidrigen Taten zur Anwendung, die nach dem Gesetz im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe unter einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht sind (Vergehen). Zudem darf die Schwere der Schuld des Beschuldigten einer Einstellung nicht entgegenstehen. Es darf sich höchstens um eine Schuld im mittleren Bereich handeln. Das Gesetz verlangt dabei nur eine hypothetische Schuldbeurteilung, weil zum Zeitpunkt der Einstellung das Strafverfahren noch nicht vollständig durchgeführt worden ist. Das Maß der Schuld hängt u.a. von der Art der Tatsausführung, den verschuldeten Auswirkungen der Tat, dem Maß der Pflichtwidrigkeit aber auch von personalen Faktoren des Beschuldigten vor und nach der Tat ab. Eine Einstellung erfolgt nur gegen Erteilung von Auflagen und Weisungen, welche besondere nicht strafrechtliche Sanktionen darstellen und in § 153a Abs. 1 Satz 2 StPO beispielhaft aufgeführt sind. Die Geldauflage zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse kommt in der Praxis besonders häufig vor. Die Auflagen bzw. Weisungen müssen schließlich geeignet sein, dass öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Dieses orientiert sich an dem Sinn und Zweck staatlichen Strafens, zu denen u.a. Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung sowie Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht zählen. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht im Rahmen eines relativ weiten Beurteilungsspielraumes zu entscheiden, ob eine Fortsetzung des Verfahrens notwendig erscheint. Sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, kann das Verfahren vor Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft und nach Anklageerhebung durch das zuständige Gericht vorläufig eingestellt werden. Gericht, Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte müssen jeweils zustimmen. In Fällen geringfügiger Vergehen kann bei einer Einstellung vor Anklageerhebung unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung des Gerichts entbehrlich sein. Für die Erfüllung der Auflagen bzw. Weisungen werden Fristen gesetzt. Werden die Auflagen erfüllt, wird das Verfahren dann endgültig eingestellt. Die Tat kann dann nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Besonders praxisbedeutsam ist, dass die Beschuldigten bei einer Einstellung nach § 153a StPO als nicht vorbestraft gelten und eine Eintragung in das sog. polizeiliche Führungszeugnis unterbleibt.
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Ladung zum Strafantritt (Haftantritt) – Was nun?
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Ratsuchende völlig aufgelöst in der Kanzlei anrufen und „ganz dringend“ einen Besprechungstermin benötigen. Was ist passiert? Die Ratsuchenden haben von der Staatsanwaltschaft eine Strafantrittsladung erhalten, mit der sie aufgefordert werden, sich zur Vollstreckung einer Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe innerhalb einer gewissen Frist oder zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) einzufinden. Dies ist natürlich für die meisten Personen und deren Umfeld eine dramatische Situation, denn im Falle einer Inhaftierung wird man aus seinem bisherigen Leben herausgerissen. Die familiären, sozialen und beruflichen Folgen sind oft gravierend.
Kann man in einer solchen Situation den Antritt der Freiheitsstrafe (Haftantritt) noch vermeiden?
Nachfolgend wird ein grober Überblick über die wesentlichen rechtlichen Möglichkeiten in einer solchen Situation gegeben:
I. Nach Rechtskraft i.d.R. keine Möglichkeit mehr das Urteil anzugreifen
Bekommt man eine Ladung zum Haftantritt ist das Strafverfahren i.d.R. bereits rechtskräftig durch ein Urteil des Strafgerichts abgeschlossen. Gegen die „Ursache“ für die Strafantrittsladung, also i.d.R. das Urteil, sieht das Gesetz kein Rechtsmittel mehr vor. Ist auch bereits die Frist für die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde abgelaufen, bleibt allenfalls noch ein Wiederaufnahmeverfahren oder eine Menschenrechtsbeschwerde, die in der Praxis aber eher untergeordnete Rollen spielen und nur äußerst selten den gewünschten Erfolg bringen. Nähere Informationen zu der Frage, wie man sich gegen strafgerichtliche Entscheidungen wehren kann, finden Sie hier.
Ist also das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen und eine Anfechtung des Urteils nicht mehr möglich, kann i.d.R. nur im Strafvollstreckungsverfahren versucht werden, einen Haftantritt zu verhindern. Man muss sich jedoch im Klaren darüber sein, dass die rechtlichen Möglichkeiten, jetzt noch einen Haftantritt zu verhindern, sehr beschränkt sind und die Vermeidung des Strafantritts nur in Ausnahmefällen möglich ist.
II. Strafaufschub bei Zweifeln über die Auslegung des Urteils oder die Berechnung der Strafe oder bei Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung, § 458 Abs. 1 StPO
Bestehen Zweifel über die Auslegung eines (rechtskräftigen) Strafurteils oder über die Berechnung der erkannten Strafe oder werden Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung erhoben, kann die Entscheidung des Gerichts herbeigeführt werden, § 458 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO). Der Fortgang der Vollstreckung wird hierdurch aber nicht gehemmt, d.h. der Strafantritt wird hierdurch nicht „automatisch“ verhindert. Das Gericht kann jedoch in bestimmten (Ausnahme-) Fällen vorläufig einen Strafaufschub oder eine Strafunterbrechung anordnen, § 458 Abs. 3 StPO.
Zweifel über die Auslegung des Urteils können z.B. bei Widersprüchen zwischen Urteilstenor und -gründen entstehen. Zweifel über die Berechnung der erkannten Strafe können beispielsweise vorliegen, wenn das Urteil keine oder keine klare Bestimmung über Auswirkungen und Umfang der Anrechnung von Untersuchungshaft (U-Haft) oder einer anderen Freiheitsentziehung hat oder wenn hierüber sonst Zweifel bestehen. Zulässige Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung bestehen z.B. bei folgenden Vollstreckungshindernissen:
Solche oder andere Fälle des § 458 Abs. 1 StPO kommen in der Praxis jedoch eher selten vor. Nach dieser Vorschrift ist ein Strafantritt daher nur im Ausnahmefall zu verhindern.
Unzulässige Einwendungen i.S.d. § 458 Abs. 1 StPO sind all diejenigen, die sich gegen den Bestand und die Rechtmäßigkeit des strafgerichtlichen Erkenntnisses (i.d.R. Urteil oder Strafbefehl) richten.
III. Vorübergehender Strafaufschub, § 456 StPO
Eine Möglichkeit, die in der Praxis durchaus häufig vorkommt, ist der sog. Vollstreckungsaufschub. Nach § 456 StPO kann auf Antrag des Verurteilten die Vollstreckung für maximal 4 Monate aufgeschoben werden, sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen würden. Auch hier kann also der Haftantritt nicht gänzlich verhindert, sondern allenfalls um 4 Monate hinausgeschoben werden. Allerdings müssen auch triftige Gründe vorgebracht werden; ein Strafaufschub kommt nur in Härtefällen in Betracht. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass eine Haftstrafe i.d.R. zu Nachteilen im Leben des Verurteilten und auch dessen Umfeld führt. Das können neben Problemen im familiären oder sozialen Bereich insbesondere ein Arbeitsplatzverlust oder finanzielle Nachteile sein. Der Gesetzgeber nimmt solche i.d.R. typischen Nachteile als sog. „gewöhnliche Strafübel“ in Kauf. Will man einen Strafaufschub erreichen, müssen Nachteile geltend gemacht werden, die über dieses „gewöhnliche Strafübel“ hinausgehen und die bei einer später erfolgenden Haft vermeidbar wären. Nachteile, die auch noch nach 4 Monaten bestehen würden, rechtfertigen keinen Haftaufschub.
In der Praxis ist in folgenden Beispielsfällen Haftaufschub bis zu 4 Monaten gewährt worden:
Lehnt die Vollstreckungsbehörde einen vorübergehenden Strafaufschub ab, kann gegen diese Entscheidung zwar noch ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung (nach § 458 Abs. 2 StPO) gestellt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird jedoch hierdurch nicht gehemmt, d.h. der Haftantritt wird hierdurch nicht „automatisch“ verhindert. Das Gericht kann jedoch in bestimmten (Ausnahme-) Fällen nach § 458 Abs. 3 StPO vorläufig einen Strafaufschub oder eine Strafunterbrechung anordnen, wenn die vorgebrachten Einwendungen Anlass zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Strafvollstreckung geben.
IV. Strafausstand wegen Vollzugsuntauglichkeit, § 455 StPO
Neben diesem Strafaufschub bis zu max. 4 Monaten kann in Ausnahmefällen unter bestimmten engen Voraussetzungen bei einer Vollzugsuntauglichkeit die Freiheitsstrafe für eine bestimmte Zeit aufgeschoben oder unterbrochen werden, sog. Strafausstand (§ 455 StPO). Diese Reglung trägt dem Interesse des Verurteilten an seiner Gesunderhaltung Rechnung und kann z.B. eingreifen, wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit (z.B. Demenz) verfällt, wenn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe bei ihm wegen anderer Krankheiten zu einer Lebensgefahr führen würde oder wenn sich der Verurteilte sonst in einem körperlichen Zustand befindet, bei dem die nötige ärztliche Behandlung in der Vollzugsanstalt nicht gewährleistet wäre.
Lehnt die Vollstreckungsbehörde einen Strafausstand ab, kann gegen diese Entscheidung zwar noch ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 2 StPO gestellt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird jedoch hierdurch nicht gehemmt, d.h. der Strafantritt wird hierdurch nicht „automatisch“ verhindert. Das Gericht kann jedoch in bestimmten (Ausnahme-) Fällen nach § 458 Abs. 3 StPO vorläufig einen Strafaufschub oder eine Strafunterbrechung anordnen, wenn die vorgebrachten Einwendungen Anlass zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Strafvollstreckung geben.
V. Strafausstand aus Gründen der Vollzugsorganisation, § 455a StPO
Die Vollstreckungsbehörde kann in Ausnahmefällen unter bestimmten Voraussetzungen einen zeitweisen Strafaufschub oder eine Strafunterbrechung auch aus Gründen der Vollzugsorganisation gewähren (§ 455a StPO). Gründe, die in der Person des Verurteilten liegen, rechtfertigen den Strafausstand nicht. Vielmehr fallen hierunter beispielsweise Fälle, in denen etwa Justizvollzugsanstalten überbelegt sind, wenn Platz für Gefangene schwerer Kriminalität geschaffen werden muss oder eine Strafvollstreckung in Anstalten etwa wegen Bränden, Baufälligkeit, Katastrophen, Seuchen oder Unglücksfällen unmöglich ist.
VI. Absehen von Vollstreckung bei Auslieferung und Ausweisung, § 456a StPO
Die Vollstreckungsbehörde kann von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe auch dann absehen, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert, an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt oder wenn er aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen wird. Die Strafvollstreckungsbehörde kann ganz oder teilweise von der Vollstreckung absehen, d.h. auch schon vor Beginn oder in Unterbrechung der Vollstreckung. Dass ein Verurteilter aber die Strafe erst gar nicht antreten muss, ist in der Praxis die absolute Ausnahme. In der Regel wird von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe erst dann abgesehen, wenn die Hälfte der Freiheitsstrafe verbüßt ist. Diese Fälle kommen in der Praxis recht häufig vor.
VII. Besonderheiten bei Ersatzfreiheitsstrafe
Erhält man eine Ladung zum Antritt einer sog. Ersatzfreiheitsstrafe, hat man i.d.R. eine durch ein Strafgericht verhängte Geldstrafe nicht bezahlt. Häufig hat der Ratsuchende keinerlei Zahlungen geleistet oder vereinbarte Ratenzahlungen nicht eingehalten. Dann kann die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde an die Stelle der uneinbringlichen Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe anordnen. Einem Tagessatz Geldstrafe entspricht dabei einem Tag Freiheitsstrafe (§ 43 Strafgesetzbuch – StGB). Ist man z.B. zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt worden und ist diese Geldstrafe uneinbringlich, tritt an deren Stelle eine Freiheitsstrafe von 80 Tagen.
A. Erledigung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Zahlung
Will man den Haftantritt wegen einer solchen Ersatzfreiheitsstrafe verhindern, kann man dies i.d.R. „problemlos“ erreichen, wenn die ursprünglich verhängte Geldstrafe gezahlt wird. Sobald und soweit dies geschehen ist, ist die Ersatzfreiheitsstrafe erledigt und man muss sie nicht antreten oder wird aus der Haft entlassen (vgl. § 459e Abs. 4 StPO). Zu vollstrecken ist nämlich immer nur die Ersatzfreiheitsstrafe, die dem uneinbringlichen Teil der Geldstrafe entspricht.
B. Tilgung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige oder vergleichbare Arbeit
Kann der Verurteilte die Geldstrafe nicht zahlen, kommt unter bestimmten Voraussetzungen noch in Betracht, dass ihm die Vollstreckungsbehörde auf dessen Antrag gestattet, die uneinbringliche Geldstrafe durch sog. freie Arbeit zu tilgen. Freie Arbeit ist gemeinnützige - oder vergleichbare (z.B. bei Berufsverbänden erfolgende) - unentgeltliche Tätigkeit. Zur Tilgung eines Tagessatzes der Geldstrafe sind i.d.R. sechs Stunden freie Arbeit zu leisten.
C. Härteklausel – Keine Ersatzfreiheitsstrafe bei unbilliger Härte, § 459 f StPO
Stellt die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe für den Verurteilten eine unbillige Härte dar, kann das Gericht anordnen, dass die Vollstreckung unterbleibt (§ 459 f StPO). Eine solche unbillige Härte liegt aber nur in Ausnahmefällen vor. Es reicht nach der Rechtsprechung nicht aus, dass die Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann oder dass der Verurteilte unverschuldet vermögenslos geworden ist und nicht mehr den Unterhalt für sich und seine Familie aufbringen kann. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, aufgrund deren mit der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe eine außerhalb des Strafzwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Verurteilten auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Strafe nicht zugemutet werden kann.
D. Keine Ersatzfreiheitsstrafe bei Verhängung einer Geldstrafe neben Freiheitsstrafe
In Ausnahmefällen kann unter bestimmten Voraussetzungen die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auch unterbleiben, wenn in demselben oder in mehreren Verfahren Geldstrafe neben Freiheitsstrafe tritt und zum Zwecke der Wiedereingliederung des Verurteilten, also zur Förderung dessen Resozialisierung, die Vollstreckung der Geldstrafe unterbleibt (§§ 459e Abs. 4 i.V.m. 459d StPO).
VIII. Gnadenentscheidung
Schließlich kommt unter engen Voraussetzungen in Betracht, einen Haftantritt ganz oder zumindest zeitweise durch eine Gnadenentscheidung zu verhindern. Hier müssen aber i.d.R. besondere und gewichtige Umstände glaubhaft vorgebracht werden. In der Praxis haben solche Gnadengesuche nur in absoluten Ausnahmefällen Erfolg. Zudem hemmt ein Gnadengesuch grds. auch nicht die Vollstreckung, d.h. der Haftantritt lässt sich grds. durch die bloße Einleitung des i.d.R. recht lange dauernden Gnadenverfahrens nicht verhindern. Nur wenn erhebliche Gnadengründe glaubhaft vorgebracht werden, kann die Gnadenstelle bis zur Gnadenentscheidung in Ausnahmefällen und unter bestimmten Voraussetzungen die Vollstreckung einstellen.
IX. Fazit
Ist das Urteil (oder andere strafgerichtliche Erkenntnisse) einmal rechtskräftig und die Strafantrittsladung in der Welt, gibt es in der Regel kaum noch Möglichkeiten, den Haftantritt zu verhindern. Eine Ersatzfreiheitsstrafe kann man noch durch Zahlung oder gemeinnützige Arbeit relativ „einfach“ abwenden. Bei einer „normalen“ Freiheitsstrafe geht das aber nicht. In Ausnahmefällen kann der Haftantritt durch einen Strafaufschub max. 4 Monate hinausgezögert werden, wenn dringende – vorübergehende – berufliche oder auch private Gründe vorgebracht und glaubhaft gemacht werden können. Daneben gibt es nur in absoluten Ausnahmefällen Möglichkeiten einen Haftantritt zu verhindern.
Viele Ratsuchende melden sich erst spät nach Erhalt der Strafantrittsladung erstmals bei einem Rechtsanwalt. Dann wird es in den meisten Fällen aber zu spät sein. Besser ist es, sich schon vor Rechtskraft des Urteils, also im Straf- und Rechtsmittelverfahren (Berufung/Revision) durch einen kompetenten und erfahrenen Strafverteidiger verteidigen zu lassen. Die Chancen ggf. eine Haftstrafe zu verhindern sind so allemal größer.
Wenn der Ratsuchende aber nun nicht im Ermittlungs-, Haupt- und Rechtsmittelverfahren verteidigt worden ist, oder er – warum auch immer – nicht mehr von seinem bisherigen Verteidiger vertreten werden möchte, sollte er sich zumindest umgehend nach Rechtskraft bei einem neuen Verteidiger melden, damit dieser wenigstens noch ausreichend Zeit hat, etwaige rechtliche Möglichkeiten einer Verhinderung des Haftantritts zu prüfen. Keinesfalls sollte der Mandant einfach „den Kopf in den Sand stecken“ und die Strafantrittsladung ignorieren. Auch sollte er nicht glauben, nur weil nach Erhalt der Strafantrittsladung ein Strafverteidiger beauftragt worden sei, brauche er die Strafe nicht antreten. Ignoriert der Verurteilte die Strafantrittsladung und tritt er die Haft nicht „freiwillig“ und fristgemäß an, droht zum einen ein sog. Vollstreckungs-Haftbefehl und zum anderen gefährdet er auch die Möglichkeit einer Verbüßung der Freiheitsstrafe im sog. offenen Vollzug.
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Das Führungszeugnis - Wann ist man vorbestraft?
Ein Überblick
Strafgerichtliche Verurteilungen haben nicht nur Geld- oder Freiheitsstrafen zur Folge. Vor Antritt einer neuen Arbeit oder wenn man beruflich, ehrenamtlich oder auf sonstige Weise eine Tätigkeit ausüben will, bei der man Kontakt zu Minderjährigen hat, kann ein Führungszeugnis verlangt werden. Enthält dieses Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen, ist man also vorbestraft, kann das für die erstrebten Tätigkeiten oft das Aus bedeuten.
Was ist ein Führungszeugnis?
Im Bundeszentralregister, welches vom Bundesamt für Justiz in Bonn geführt wird, werden u.a. alle strafgerichtlichen Verurteilungen einer Person aufgelistet. Grundsätzlich unbeschränkte Auskünfte hieraus erhalten in der Regel nur z.B. Gerichte, Staatsanwaltschaften, bestimmte sonstige Behörden und der Betroffene selbst.
Ein Führungszeugnis, umgangssprachlich oft auch „polizeiliches“ Führungszeugnis genannt, ist ein beschränkter Auszug aus dem Bundeszentralregister. Es ist eine behördliche Auskunft des Bundesamtes für Justiz u.a. über bisher im Bundeszentralregister registrierte Straftaten einer Person. Es gibt letztlich Auskunft darüber, ob man vorbestraft ist oder nicht.
Gesetzlich geregelt ist das Bundeszentralregister und das Führungszeugnis im Bundeszentralregistergesetz (BZRG). Das Führungszeugnis kann jeder Person, die das 14. Lebensjahr vollendet hat, erteilt werden. Es kostet 13 Euro und kann online direkt beim Bundesamt für Justiz in Bonn sowie persönlich oder schriftlich bei der für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständigen örtlichen Meldebehörde (Bürgerbüro) beantragt werden.
Es gibt verschiedene Formen des Führungszeugnisses.
Das einfache Führungszeugnis (Privatführungszeugnis)
Das einfache Führungszeugnis (Privatführungszeugnis) – etwa zur Vorlage beim Arbeitgeber enthält grundsätzlich alle strafgerichtlichen Verurteilungen. Das Gesetz sieht jedoch zahlreiche Ausnahmefälle vor, in denen Verurteilungen nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind. Diese Ausnahmen sind Ausdruck des Resozialisierungsgedankens und betreffen vorwiegend sog. „Bagatellverfahren“. So werden z.B. zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafen bis zu 2 Jahren nicht aufgeführt. Gleiches gilt beispielsweise für Erstverurteilungen zu Geldstrafen bis 90 Tagessätzen und Erstverurteilungen zu Freiheitsstrafen bis zu 3 Monaten. Das ändert sich aber mit einer weiteren Verurteilung – auch, wenn die Strafe aus dieser weiteren Verurteilung unterhalb der vorgenannten Grenzen liegt. Zudem gelten zahlreiche Ausnahmefälle nicht mehr bei Verurteilungen wegen bestimmter Sexualstraftaten.
Das Behördenführungszeugnis
Das behördliche Führungszeugnis dient zur Vorlage bei einer Behörde (z.B. bei der Erteilung einer Fahr- oder Gewerbeerlaubnis oder bei Bewerbungen bei einer Behörde) und enthält neben strafgerichtlichen Entscheidungen auch bestimmte Entscheidungen von Verwaltungsbehörden (z.B. Widerruf einer Gewerbeerlaubnis oder eines Waffenscheins). Zudem ist der Umfang der aufzunehmenden Verurteilungen gegenüber dem Privatführungszeugnis erweitert. So können Entscheidungen über eine mögliche Schuldunfähigkeit oder die gerichtlich angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgenommen werden. Weiter können auch Erstverurteilungen zu einer Geldstrafe von unter 90 Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe unter 3 Monaten enthalten sein, wenn die durch die Verurteilung geahndete Tat im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes oder dem Betrieb einer sonstigen wirtschaftlichen Unternehmung begangen wurde und das Führungszeugnis für die in § 149 Abs. 2 Nr. 1 Gewerbeordnung bezeichnete Entscheidung bestimmt ist.
Ist ein Führungszeugnis bei einer deutschen Behörde vorzulegen, ist dies bereits bei der Antragstellung bei der Meldebehörde anzugeben. Das Führungszeugnis wird der Behörde durch das Bundesamt für Justiz unmittelbar übersandt. Die Behörde hat der den Antrag stellenden Person auf Verlangen Einsicht in das Führungszeugnis zu gewähren. Die den Antrag stellende Person kann aber auch verlangen, dass das Führungszeugnis, sofern es Eintragungen enthält, zunächst an ein von ihr benanntes Amtsgericht geschickt wird, um es dort einsehen zu können. Nach der Einsichtnahme wird das Führungszeugnis an die Behörde weitergeleitet oder, falls die Antrag stellende Person dem widerspricht, durch das Amtsgericht vernichtet.
Erweitertes Führungszeugnis
Ein erweitertes Führungszeugnis benötigen z.B. Personen, die beruflich, ehrenamtlich oder in sonstiger Weise Tätigkeiten ausüben, bei der sie Kontakt zu Kindern oder Jugendlichen haben (z.B. in der Kita, der Kindertagespflege, in der Schule oder im Sportverein). Von einem regulären Führungszeugnis unterscheidet sich das erweiterte Führungszeugnis durch seinen Inhalt. Hier werden beispielsweise auch diejenigen Verurteilungen wegen „geringfügigerer“ Sexualdelikte (wie z.B. Erregung öffentlichen Ärgernisses, exhibitionistischer Handlungen oder Verbreitung pornografischer Schriften) eingetragen, die im einfachen Führungszeugnis nicht enthalten sind.
Europäisches Führungszeugnis
Ein europäisches Führungszeugnis erhalten Personen, die -neben oder anstatt der deutschen – die Staatsangehörigkeit eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union besitzt. Das europäische Führungszeugnis enthält neben dem deutschen Führungszeugnis die Mitteilung über Eintragungen im Strafregister des Herkunftsmitgliedstaates in der übermittelten Sprache, sofern der Herkunftsmitgliedstaat eine Übermittlung nach seinem Recht vorsieht.
Wann werden die Einträge aus dem Führungszeugnis „gelöscht“?
Bis auf bestimmte schwerwiegende Ausnahmefälle (bei lebenslangen Freiheitsstrafen, Sicherungsverwahrung oder der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) werden Verurteilungen nach Ablauf bestimmter Fristen nicht mehr in das Führungszeugnis aufgenommen. Die Länge der Fristen richtet sich grundsätzlich nach der verhängten Strafe. Es gelten im wesentlichen folgende „Löschungsfristen“:
3 Jahre bei
10 Jahre (zuzüglich der Dauer der verhängten Strafe) bei Verurteilung zu Freiheits- oder Jugendstrafe über 1 Jahr wegen bestimmter Sexualdelikte.
5 Jahre (zuzüglich der Dauer der verhängten Strafe) in allen übrigen Fällen.
Sind im Register mehrere Verurteilungen eingetragen, so sind sie bis auf bestimmte Ausnahmen alle in das Führungszeugnis aufzunehmen, solange eine von ihnen in das Führungszeugnis aufzunehmen ist.
Wann gilt man als vorbestraft?
Umgangssprachlich gilt man als vorbestraft, wenn man von einem Strafgericht zu einer Strafe verurteilt worden ist. Das wäre letztlich bei jeder Verurteilung, die auch im Bundeszentralregister aufzunehmen ist, der Fall. Zum Zwecke der Resozialisierung der Betroffenen gilt man aber nicht wegen jeder strafgerichtlichen Verurteilung als vorbestraft. Der Verurteilte darf sich vielmehr grundsätzlich als nicht vorbestraft bezeichnen und braucht den der Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren, wenn die Strafe nicht in einem Führungszeugnis aufgeführt ist.
Verurteilungen wegen einer Ordnungswidrigkeit (z.B. wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit oder wegen „Falschparkens“) und Verfahrenseinstellungen führen nicht zu einer Vorstrafe.
Der sog. „Täter-Opfer-Ausgleich“ (TOA) stellt eine Möglichkeit zur außergerichtlichen Konfliktschlichtung dar. Er soll das Interesse von Tatopfern an Schadenkompensation verwirklichen und dem (mutmaßlichen) Täter sollen die Folgen seines Handelns klargemacht und seine Bereitschaft gefördert werden, hierfür Verantwortung zu übernehmen. Der TOA dient also im Wesentlichen der Aufarbeitung der Straftat, der Befriedung des Konfliktes und der Aushandlung der Wiedergutmachung und ist in vielfältigen Formen durchführbar.
Gesetzliche Regelungen zum TOA finden sich insbes. in den §§ 46 und 46a des Strafgesetzbuches (StGB), sowie den §§ 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 155a Strafprozessordnung (StPO) sowie in §§ 45 Abs. 2 Satz 2, 47 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Nr. 7 Jugendgerichtsgesetz (JGG).
Der TOA ist nicht auf bestimmte, etwa leichtere Straftaten oder Bagatellfälle begrenzt. Er kommt auch im mittleren Kriminalitätsbereich und auch bei schweren Straftat in Betracht. In der Praxis spielt der TOA u.a. bei Körperverletzungs-, Eigentums- und Vermögensdelikten (z.B. Diebstahl, Betrug), aber auch bei Raub-, Erpressung- oder bei Sexualdelikten eine bedeutende Rolle.
Von besonderer Bedeutung für Beschuldigte in Strafverfahren ist, dass bei Durchführung oder auch bei ernsthaftem Erstreben eines TOA u.U. eine deutliche Strafmilderung und in bestimmten – eher weniger schwerwiegenden - Fällen sogar eine Einstellung des Verfahrens oder ein Absehen von Strafe erreicht werden kann. In der Praxis entscheidet – bei schwereren Tatvorwürfen – die Durchführung oder zumindest das ernsthafte Erstreben eines TOA nicht selten über die Frage, ob überhaupt noch eine Freiheitsstrafe zur Bewährung erreicht werden kann oder ob ein Verurteilter eine Haftstrafe im Gefängnis verbüßen muss.
Ist an den Tatvorwürfen „etwas dran“, empfiehlt es sich in vielen Fällen, möglichst frühzeitig einen TOA durchzuführen oder dies zumindest ernsthaft zu versuchen. Um als Beschuldigter in den Genuss der oben genannten Rechtsvorteile, wie insbesondere einer deutlichen Strafmilderung zu kommen, verlangt die Rechtsprechung aber umfassende Ausgleichsbemühungen und einen sog. „kommunikativen Prozess“ zwischen Täter und Opfer. Das Verhalten des Täters muss hiernach „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung“ sein und „friedensstiftende Wirkung“ haben. Hierfür ist i.d.R. u.a. ein Geständnis, das Bekennen zur Schuld und das Respektieren der Opferposition der geschädigten Person, eine Entschuldigung und die Zahlung einer Entschädigung, oft in Form eines Schmerzensgeldes erforderlich.
Wie genau ein TOA durchgeführt wird, hängt vom Einzelfall und von auch der Frage ab, in welchem Stadium des Strafverfahrens man sich befindet. Die Initiative für einen TOA können u.a. die Staatsanwaltschaft oder manchmal auch das Gericht, aber auch Täter und Opfer selbst ergreifen. Durchführen tut den TOA dann häufig eine TOA-Stelle, wie z.B. die sog. Gerichtshilfe oder ein anderer sozialer Dienst der Justiz, vielfach auch freie Träger (spezielle meist als Verein organisierte Einrichtungen, Opferhilfevereine usw.) oder im Jugendbereich die Jugendgerichtshilfe oder andere Stellen des Jugendamtes. In der Praxis wird der TOA auch häufig durch den Rechtsanwalt und Verteidiger des Beschuldigten durchgeführt. In geeigneten Fällen nimmt der Verteidiger dann mit dem Geschädigten bzw. dessen anwaltlicher Vertretung außergerichtlich Kontakt zwecks Durchführung eines TOA auf.
Die Frage, ob ein TOA im Einzelfall in Betracht kommt und durchgeführt werden oder zumindest erstrebt werden sollte, vor allem auch die Frage, ob man selbst die Initiative für einen TOA ergreifen sollte, ist vielfach schwer zu beantworten. Das gilt auch für die Frage, wie genau und wann ein TOA durchgeführt oder ernsthaft versucht werden sollte. Insbesondere bei schwereren Tatvorwürfen, bei denen ein TOA ggf. über Haft oder Bewährungsstrafe entscheiden kann, sollte der Rat eines erfahrenen Strafverteidigers eingeholt werden!
Rechtsanwalt Kucera berät Sie in Ihrem Fall hierzu gerne.